Modular und urban: Wie Oma und Opa heute leben wollen

KLEINE ZEITUNG, 30.08.2022
In einer Wohngemeinschaft leben und den urbanen Raum nutzen: Österreicherinnen und Österreicher bleiben immer länger fit. Was das für den Immobilienmarkt bedeutet.

Heutzutage schreiben Oma und Opa einfach schnell eine Whatsapp, ob das Enkerl zum Kaffee-Date vorbeikommen mag – falls sie nicht selbst mit dem E-Bike die Gegend unsicher machen. Das Bild der älteren und alten Menschen in unserer Gesellschaft hat sich stark gewandelt. Schließlich fühlen sich “Boomer” (um die 60) und Angehörige der Generation X (40 bis 55) immer länger fit – und wollen selbstbestimmt den Unruhestand genießen. Anfang 2022 lebten rund 1,75 Millionen in Österreich – so wollen „Silver-Society“ oder „Golden Ager“ leben.

  1. Die Silver-Society lebt modular & flexibel.
    Mit jedem Lebensjahr jenseits der 65 steigen die Anforderungen ans Wohnen. Das weiß auch Mathias Mühlhofer, Vorstand der Immobilien Rendite AG: „Statt Altersheimen braucht es altersgerechte Räume für ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Wenn nötig, müssen sie Platz für die Pflegehilfe bieten.“ Für die einer Adaption der Wohnung wird aber die richtige Basisplanung benötigt, weiß der Sanierungs-Experte. „Ideal sind flexible Einheiten mit modularen Grundrissen. Hier kann schnell eine Wand für ein Zusatzzimmer integriert werden.“
  2. Studenten-WG reloaded.
    In der Realität existiert aber ein großes Problem, weiß Markus Kitz-Augenhammer, Vorstand der Immobilienrednite AG: „Die Boomer haben gelebt, um zu arbeiten. Die Generation X hat gearbeitet, um sich ein besseres Leben leisten zu können. Beide Gruppen haben heute oft ein Eigenheim, das viele im Alter nicht verlassen wollen“, so der Makler-Experte. „Sie leben auf großem Fuß – in (zu) großen Immobilien. Ändern sich die Bedürfnisse, ist ein Umbau meist aufwendig und teuer.“ Die elektrische Infrastruktur muss leicht erreichbar sein. Ebenso Türgriffe, Stütz- und Haltesysteme an den Wänden. Vielleicht ist der Einbau eines Treppenlifts nötig. Oder eines Notrufsystems für den sprichwörtlichen Fall des Falles.
    Laut Trendforschern ist altersgerechtes Wohnen jedoch schon wieder Geschichte – „Freeager“ präferieren beim „Ageless Living“ kollaboratives Co-Housing. Laut Mühlhofer ist generationenübergreifenden Wohnen ein Vorteil für alle: „Wenn Ältere und Jüngere ein großes Haus gemeinsam bewohnen, ist das nachhaltig, ressourcenschonend und inspirierend: Die Jungen lernen von den Senioren. Und helfen bei Einkäufen wie Wegen zum Arzt.“ Einen Boom erleben in der Sharing-Kultur auch Senioren-WGs. Sie fördern den Austausch, beispielsweise beim Kartenspielen, bieten aber gleichzeitig den Rückzug in Privaträume.
  3. Urbane Golden Ager.
    Mit zunehmendem Alter sind kurze Wege und die Nähe zu Apotheken, Geschäften, Ärzten und Spitälern ein Vorteil. Stadt schlägt Land – klar und in allen Kriterien. Kitz-Augenhammer: „Eine urbane Umgebung ist der perfekte Lebensraum für die ältere Generation.“ Zog es bis vor kurzem vor allem Junge in die Städte, folgen ihnen nun reifere Semester aus dem nunmehr zu großen Einfamilienhaus im Speckgürtel. „Der Anspruch an die städtische Infrastruktur verändert sich damit grundlegend. Urbanität muss neu gedacht werden.“
  4. Generation Betongold – und die Folgen.
    Die Wiederentdeckung der Stadt durch Boomer und die Gen X zeigt sich auch am Immobilienmarkt. Michael Rajtora, Vorstand der Immobilienrednite AG: „Die Generation Betongold kauft oft ein bis zwei Wohnungen. Und das ohne Kredit – die Summe wird vom eigenen Konto überwiesen.“ Damit wird auch ein aktuelles Problem verschärft. Investment-Experte Rajtora: „Sie legen ihr Erspartes am liebsten in Betongold an, also Immobilien. Das treibt die Preise noch weiter in die Höhe.“

Der Orignal-Artikel in der KLEINEN ZEITUNG

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