An vielen kleinen Schrauben drehen

Im Krisenherbst und -Winter sind Strom und Gas rare Güter. Wie Energiesparen bei Gewerbeimmobilien und gleichzeitig Klimaschutz gelingt?

Schon Mark Twain wusste: „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ So geht es auch mir. Vor einem Jahr schrieb ich an dieser Stelle: Wir haben zu wenig Rohstoffe und Personal. Als Folge wird die Wirtschaft massiv ausgebremst. Die Produktion teurer und schwierig. Und Dienstleister wie Installateure, Schlosser und Fertiger geraten unter Druck.
Nun sind die skizzierten Probleme eingetreten. Aber gleichzeitig haben wir Unternehmer gelernt, damit zu leben. Wir haben neue Wege der Beschaffung von Rohstoffen und Waren gefunden. Unser neuer Business-Alltag ist zwar teurer und komplizierter als vor der Pandemie, aber er läuft – allen Unkenrufen zum Trotz. Viele Branchen befinden sich im Aufwind: mit neuen Mitarbeitern, auf eigenen Wunsch teilweise in Teilzeit. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als neue Unternehmer-Disziplinen – viele haben hier allerdings noch Luft nach oben.  

So wenig Energie wie noch nie
Womit weder ich noch Kollegen gerechnet hatten, ist die historische Energieknappheit infolge des Ukraine-Kriegs. Beim Schreiben dieses Kommentars war nicht klar, ob wir in diesem Winter genügend Gas und Strom für alle haben werden. Meine pessimistische Prognose lautet: Es sieht leider nicht danach aus. Der Gaspreis ist in ungeahnte Höhen geschossen, der Strompreis folgte ihm blindlings. Die Folge: Produktion und Dienstleistung sind plötzlich zum Luxus geworden – die Inflation erklimmt immer neue Rekorde.
Was können wir tun, um die Negativspirale zu stoppen?
Wer die letzten 30 Jahre nicht hinter dem Mond gelebt hat, weiß: Politiker und Experten predigen Mantra-artig den Ausbau von erneuerbaren Energien – Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Nachdem auf den meisten privaten Grundstücken (dazu zähle ich auch Gewerbe- und Betriebsgrundstücke) eine Windräder-Farm aus vielen Gründen jedoch ausgeschlossen ist, ruht alle Hoffnung auf der Photovoltaik (PV). Geht es nach den Plänen der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler, sollen PV-Anlagen bald alle Dächer Österreichs zieren.

Im Tiefschlaf Richtung Energiewende
Angesichts cooler Wohnungen und klammer Fertigungshallen fragen sich viele: Haben wir den rechtzeitigen Ausbau der Sonnen-Energie verschlafen? Aus meiner Sicht: ja – aber wieso geht das so langsam voran?. Erstens: PV-Anlagen sind teuer – obwohl die Preise pro Kilowatt-Peak in den letzten 30 Jahren deutlich gesunken sind und nach Anschaffung und Installation Gratis-Strom fließt. Aber bei einem größeren Gewerbeobjekt sind immer noch Investitionen von mehreren hunderttausend Euro nötig.
Nach dem strengen Rechenstift zahlt sich die Investition in eine PV-Anlage nicht aus. Zu Mittag, wenn aufgrund des Sonnenhöchststands viel Strom produziert wird, laufen auch die solaren Kleinkraft-werke aller Nachbarn auf Hochtouren – Strom wird im Überschuss produziert. Das drückt den Preis in den Keller. Gut für Verbraucher. Schlecht für Unternehmer, die mit der PV-Anlage auf dem Dach ihres Gewerbeobjekts kleine Stromproduzenten wurden – und die Energie billig ins Netz einspeisen müssen.

Für PV wären 500 Tesla-Batterien nötig – pro Österreicher
Am Abend und im Winter ist Solarstrom Mangelware – die PV-Anlage produziert wenig bis gar nichts. Mit den aktuell hohen Strompreisen verdienen zwar auch Solarstrom-Produzenten mehr. Allerdings ist fraglich, wie lange noch. Rechnet sich die Investition in eine PV-Anlage über die 25-jährige Laufzeit? Als Unternehmer bezweifele es. Speziell dann, wenn aufgrund der hohen Erträge viele nachziehen und ebenfalls solar aufrüsten.
Zweites Argument gegen eine PV-Anlage: Für echte Autarkie – die Selbstversorgung mit Strom – ist die Sonne ungeeignet. Die Anlagen produzieren hauptsächlich zur Tagesmitte Strom. Am Tagesrand, bei Wolken, Schnee oder in der Nacht, liefern sie (zu) wenig. Dann müssen Unternehmer Strom erst recht wieder teuer zukaufen. Ein plakativer Vergleich veranschaulicht das Dilemma: Wenn wir den Bedarf aller Österreicherinnen für die Abend- und Nachtstunden (ohne Regentage und Winter) tagsüber einspeichern wollten, würden wir 4,5 Milliarden (!) Tesla-Batterien benötigen. Das sind 500 Stück pro Kopf und Nase – inklusive die der Babys.

Heimisches Stromnetz: ein Baum mit dickem Stamm & dünnen Ästen
Drittens: Die liebe Bürokratie hemmt den Ausbau von PV-Anlagen auf Industrie- und Gewebe-objekten ebenfalls. Netzbetreiber müssen erst einmal zustimmen – wie viele Kollegen aus leidvoller Eigenerfahrung wissen, kann eine Genehmigung zur Mission Impossible werden.
Das Nadelöhr ist die Logistik: Das österreichische Stromnetz hat keine unbegrenzten Kapazitäten. Es wurde dafür gebaut, den Strom vom Kraftwerk zu den Verbrauchern zu verteilen. Erdiger formuliert: Es ist wie ein Baum mit einem dicken Stamm (nahe dem Kraftwerk) und dünnen Ästen (zu den Verbrauchern). Drehen wir den Spieß um und werden Verbraucher zu Stromproduzenten, braucht es einen Netzausbau: durch aufwendiges und teures Baggern, um neue, dickere Leitungen zu verlegen. Selbst ohne Blick auf die Kosten befinden wir uns im Land der begrenzten PV-Möglichkeiten. Ein Blick auf die Grafik der Niederösterreichischen Netze zeigt das deutlich.

Energie-Sparefrohs bei Gewerbeimmobilien
Was also tun? Der grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck kommuniziert die schonungslose Wahrheit schon lange: Energie sparen – in Privathaushalten wie Gewerbeimmobilien. Auch Fraktionskollegin Gewessler spricht das Szenario für Herbst und Winter endlich offen aus: Wir müssen Gas, aber auch Strom sparen – massiv. In Privathaushalten können wir einen Deckel auf den Spaghetti-Topf setzen und eine kurze lauwarme Dusche satt des langen heißen Vollbads genießen.
Parallel dazu müssen wir den Energieverbrauch von Industrie- und Gewerbeobjekten reduzieren: mit klimafitten Gebäuden. Der große Wurf benötigt das Drehen vieler kleiner Schauben: Auch wenn PV-Anlagen kein gutes Geschäft sind und nicht unserem Gesamtenergiebedarf decken: Wir brauchen sie. Auch eine zeitgemäße Gebäude-Dämmung hilft, den Energieverbrauch zu reduzieren. Um nicht beim Fenster hinaus zu heizen, haben wir bei unserem Objekt in Spillern bei Korneuburg nach dem Kauf die alte Gebäudehülle gegen eine moderne Wärmeschutzfassade getauscht. Last but not least braucht es smartes Energie-Management: In der Nacht und am Wochenende muss die Heizung gedrosselt und das Licht ausgedreht beziehungsweise auf Bewegungsmelder umgestellt werden. Eine intelligente Beschattung erspart (oder unterstützt) im Sommer die stromfressende Klimaanlage. Intelligent gesteuerte Lifte reduzieren Leerfahrten und damit den Stromverbrauch.
Wie unsere Business-Zukunft aussieht? „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Ich wage dennoch eine Entgegnung Mark Twains: Dieser Herbst und Winter werden nicht einfach. Aber wenn alle Unternehmer dicke Bretter bohren, werden wir die Situation meistern. Und im Idealfall – ich bin Optimist – an der Herausforderung wachsen.

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